Erstmal nen Kaffee!
Es ist noch etwas frisch, als wir uns frühmorgens am EVOC Office in München Giesing treffen. Heute ist einer der «Another day in the office»-Tage, die wir über alles lieben, denn heute ist Graveln angesagt. Die letzten Wochen und Monate haben wir uns intensiv mit den Themen «Bikepacking» und «Gravel» beschäftigt und nun ist es endlich soweit, unsere neuen «On-Frame-Bags», also Taschen zur Befestigung am Fahrrad, in freier Wildbahn zu testen – und zwar auf unseren Hausstrecken direkt vor der Haustür – an der wunderschönen Isar!
Nur ist es dabei gar nicht so einfach auf einen Nenner zu kommen!
Weder herrscht Einigkeit darüber, was man nun unter «Bikepacking» versteht, noch was «Graveln» genau bedeutet. Einig sind wir uns nur darin, dass es sinnvoll ist, zusätzlichen Stauraum am Rad zu haben und dass wir mit dem Rennrad auch abseits asphaltierter Wege unterwegs sein wollen.
So möchte Annabelle, bei EVOC zuständig für Produktmanagement, in erster Linie die Natur erleben. Sie ist begeisterte Fliegenfischerin und will heute ihr Angelrevier mit dem Rad erkunden und dabei möglichst schöne Strecken entdecken. Neben Flickzeug und ein paar Snacks muss sie ihre Angelausrüstung in den Taschen unterbringen und braucht daher jede Menge Stauraum am Rad.
Kevin, bei EVOC für das Business Development verantwortlich, hat einen ganz anderen Anspruch. Für ihn ist das Gravel Bike ein Sportgerät, durch den die Trails wieder interessant geworden sind. Kurven, kleine Sprünge und technische Passagen sind es, die der ehemalige Trialer unter die Räder nehmen will und dabei die Spritzigkeit eines Rennrads mit der neuen Dimension an Geländegängigkeit vereint. Heute möchte er noch ein bisschen weiter nach Süden vorstossen und braucht daher nur ein bisschen Extraverpflegung und ein paar Wechselklamotten an Bord. Dementsprechend überschaubar ist auch sein Platzbedarf bei den Taschen. Für ihn zählt viel mehr, dass sie gut fixiert sind und auch bei sportlicheren Moves immer in Position bleiben.
Jan, der EVOC Marketing Manager, bringt eher einen puristischen Rennrad-Ansatz ins Spiel. Für ihn ist beim Graveln besonders reizvoll, dass mit dieser neuen Fahrradspielart grosse Distanzen mit wechselnden Untergründen möglich geworden sind – und diese auch mit relativ hohen Geschwindigkeiten gefahren werden können. Sein Ziel ist die Langstrecke zum 140 km entfernten Isar Ursprung und entsprechend ist auch sein Setup gewählt: Als einziger fährt er mit 2 Kettenblätter und hat sich auf die kleinsten und kompaktesten Taschen konzentriert, um an diesem langen Tag wirklich nur das Nötigste dabei zu haben.
Gut daher, dass wir unser neues Bikepacking Fahrradtaschen Sortiment auf Vielseitigkeit ausgelegt haben! Und noch viel besser, dass wir direkt vom EVOC Büro aus, an der Isar ein Gravel Revier der Extraklasse haben, wo jeder auf seine Kosten kommen kann.
Nur ein paar hundert Meter vom Office entfernt wird es bereits grün und es beginnt ein Radweg auf dem Isar Hochufer der aus Stadt herausführt. Auf Höhe des Zoos kann man bereits aus einer Vielzahl verschiedener Wege entscheiden.
Ganz nach Geschmack bleibt man entweder auf einem der beiden breiten Wegen auf der rechten oder linken Uferseite oder zweigt auf einen der vielen Pfade ab, die sich parallel dazu durch die wunderschöne Auenlandschaft schlängeln. Bis Grünwald radelt man hier mit vielen anderen Erholungssuchenden durch den Nahbereich der Stadt und kommt an jeder Menge wunderschöner Uferstellen vorbei, die besonders im Sommer zum Verweilen einladen.
Ab Grünwald wird es deutlich ruhiger und auch wilder und die Navigation am Ufer entlang wird anspruchsvoller. Während der nun etwas hügeligere Schotterweg auf der Westseite für die nächsten 10 km bis zum Kloster Schäftlarn an der Isar entlang verläuft, hat man auf der Ostseite verschiedene Routen zur Auswahl die sich etwas weiter auf den Hochuferbereich verteilen und eine gute Wegfindung verlangen. Hier findet man sehr vielseitige und technische Passagen bergauf wie bergab und kann auf den nächsten Kilometern erstaunlich viele Höhenmeter bewältigen.
Südlich des Kloster Schäftlarn liegt mit der Pupplinger Au ein besonders schöner Teil der Isarauen, der zurecht unter Naturschutz steht. Hier nimmt man entweder die ostseitige Teerstrasse oder gravelt standesgemäss auf dem Damm des Isarkanals entlang bis zum Ickinger Wehr, wo sich die Routen bei Aumühle wieder treffen. Ein paar Kilometer weiter, befindet sich der Aujäger. Ein Ausflugslokal mit Biergarten, der sich als Zielpunkt für alle anbietet, die nach einer schönen Halbtages-Gravelrunde von München aus suchen.
Denn ab hier muss man sich erneut entscheiden, wie man weitermöchte. Westseitig weiter auf verzweigten Schotterwegen oder auf der anderen Uferseite, ein bisschen von der Isar entfernt auf einer guten asphaltierten Landstrasse, um Geschwindigkeit und Strecke zu machen. Die unzähligen kleinen Pfade und Trails empfehlen sich ab hier bis Bad Tölz nur für sehr Abenteuerlustige mit Bereitschaft zu langen Fussmärschen. Die Auen sind hier sehr weitläufig mit verzweigten kleineren Wasserläufen und die Uferlandschaft wird immer hügeliger so dass viele Wege entweder enden oder sich in unfahrbare Wandersteige verwandeln.
Bad Tölz empfängt mit einer breiten und ruhig dahinfliessenden Isar. Direkt am Fluss durchquert man auf einem Radweg die Stadt und geniesst den Blick auf die Uferpromenade dieses kleinen Städtchens. Die ersten Voralpengipfel erheben sich direkt hinter der Stadt und verströmen den ersten Alpenflair auf dieser Tour. Bald ist auch schon Lenggries in Sicht und damit die Hälfte der Strecke bis zum Ursprung geschafft. Die Steigung nimmt zu und die Berge rücken von beiden Seiten näher heran. Auf einem gut ausgebauten Radweg geht es ein paar Kilometer an der Bundesstrasse entlang bevor der Weg links abzweigt und durch den Wald immer steiler bergauf und in einen Tunnel führt. Am Ende des Tunnels schimmert es blau und man wird direkt in einem Alpen-Postkartenpanorama am Sylvensteinspeicher ausgespuckt. Hier nicht zumindest kurz anzuhalten und kurz den Blick schweifen zu lassen ist vermutlich unmöglich! Es empfiehlt sich auch, hier nochmal durchzuschnaufen denn die nächsten zehn Kilometer muss man sich mit dem gesamten Ausflugsverkehr die grosse Bundesstrasse teilen, bevor man bei Vorderriss auf die Mautstrasse abbiegt. Die Isar hat in ihrem Oberlauf die Farbe von karibischem blau und man selbst die Qual der Wahl: weiter auf dem Asphalt der Mautstrasse bis nach Wallgau oder über die Brücke und dann auf Schotter durch ein wahres Gravelparadies? Der Preis sind einige Höhenmeter extra und ein paar steile Rampen, die jede Übersetzung und die meisten Fahrer an ihre Grenze bringen. Der Lohn ist das Erlebnis einer einmaligen alpinen Flusslandschaft und des vermutlich schönsten Abschnitts der ganzen Strecke.
Wobei es ganz besonders schön auch hinter Wallgau über Krün, Mittenwald bis Scharnitz so weitergeht. Der Fluss verläuft hier in vielen Armen zwischen breiten Schotterbänken hindurch und wüsste man es nicht besser, würde man sich in Kanada wähnen. Hier ist die weitere Route von der Tiroler Touristik auch bereits als «Isar Radweg» gut ausgeschildert und führt durch ein «Märklin-Modelwelt» würdige Fluss- und Berglandschaft, die keine Wünsche offenlässt. Man ist fast ein bisschen traurig, dass sich diese Tour allmählich ihrem Ende nähert, doch ab Scharnitz lockt nochmal ein echtes Sahnestück, denn nun geht es wirklich ins Gebirge hinauf. Nach einem kurzen, aber knackigen Anstieg geht es ins Hinterautal hinein und weiter auf einem gut zu rollendem Uferschotterweg entlang der Isar die hier inzwischen eher ein klarer Gebirgsbach ist, als der Fluss, der durch München fliesst. Die letzten Meter bis zu den Quellen – der Ursprung ist ein Quellgebiet und es sind zwei Ursprünge bezeichnet – sind mit dem Rad nicht mehr zu fahren, aber natürlich geht man hier gerne noch die zehn Minuten zu Fuss bis zum Ursprung 1 der auch so aussieht, wie man sich die Quelle vorgestellt hat. Was gibt es Besseres, als die Trinkflaschen direkt an der Quelle seines Heimatflusses aufzufüllen an dem man schon so viele Kilometer mit dem Rad zurückgelegt hat?